Wo der Kirchenvorplatz zum Domplatz wird

"Festspielstimmung" bei "Jedermann"-Aufführung in Vornbach – Mitreißendes Puppenspiel

26.08.21 –

Vornbach. Es war ein "bisserl Salzburg", ein wenig Festspielatmosphäre mit "VIP-Bereich", mit "Eminenz", "Hofrat", "Präsident" und "Adabei" auf dem Platz vor der Kirche in Vornbach, der zum kleinen "Domplatz" wurde, dem klassischen Spielort des "Jedermann" von Hugo von Hoffmannsthal, seit 100 Jahren ein fester Programmpunkt der Salzburger Festspiele und so etwas wie das Flaggschiff österreichischer Hochkultur.

Die Festspiele kommen ins Dorf und finden in Vornbach einen geradezu idealen Aufführungsort, an dem alles passt, die Kulisse der barocken Klosterkirche, der von allen Seiten abgeschlossene Kirchenvorplatz und auch ein Publikum, das sich vom Spiel über das Sterben des reichen Mannes "Jedermann" sofort mitreißen lässt.

Die geniale Idee kommt von der begeisterten und begeisternden Puppenspielerin Annika Pilstl aus Vornbach. Sie hat auch die fantasievolle und atemberaubend spannende Regie für das Spiel übernommen, das nicht mehr braucht als einen kleinen Autoanhänger, der zur Guckkastenbühne auf drei Ebenen aufgebaut wird, und vor allem drei mitreißende, leidenschaftliche Puppenspieler, die nicht nur vor und hinter der Bühne agieren, sondern auch mit Musik – Saxofon, Akkordeon und E-Gitarre – und Gesang, ein wenig "österreichischem Schmäh" das Publikum in Festspielstimmung versetzen und bei allem Tiefgang des "Jedermann" auch eine dicke Portion Witz und scharfsinnigen Humor mitbringen.

Bei Gerti und Maximilian Tröbinger zusammen mit Ruth Humer wurde aus dem "Jedermann" ein großartig funktionierendes Bühnenspektakel mit schnellem Rollenwechsel, indem einfach der Kopf einer Puppe ausgetauscht wurde, mit einer quäkenden Megafon-Stimme Gottes, der als großes, bewegtes Auge auf einem Bildschirm über dem gesamten Spiel wachte.

Maximilian Tröbinger spielt den "Jedermann", mit einer wendigen Handpuppe, aber auch leibhaftig, manchmal in der Spannung zwischen Puppe und Schauspieler, und das gelingt auch Gerti Tröbinger, die mit Puppe und Persönlichkeit in die Rolle des Teufels schlüpft und natürlich dem Zigarette rauchenden Tod, verkörpert von Ruth Humer, die den reichen Mann mitten aus dem Festmahl aus dem Leben holen will.

Und das geht alles sehr schnell: Jedermann und die Buhlschaft, natürlich auch eine große Puppe mit beweglichem Mund, feiern ein großes Fest – die Gäste sind Klappmaulpuppenköpfe, aber auch die VIPs im Publikum, die das Tischtuch festhalten müssen und mitsingen dürfen. Es bleibt dem reichen Mann nur eine Stunde, die er für sein gutes Ende im Erdenleben nutzen kann. Gerti Tröbinger hat diese großartigen Puppen zu wahren Charakterköpfen gestaltet, die im Spiel engstens auch charakterlich mit den Puppenspielern verbunden sind.

Jedermann verlässt sich zunächst auf seinen Reichtum – Gerti Tröbinger mit goldener Perücke in der Schatzkiste zeigt ihm aber, dass das am Ende nichts hilft. Die guten Werke, die sind recht windig und dürftig, ein dünnes Plastiksäckchen, das sich im Wind hin- und her bewegt, da bleibt eben nur der Glaube. Und jetzt zeigt sich ein genialer Regiestreich: Es kommt für Jedermann zur "Glaubenskrise", denn der "Glaube" ist offenbar in den Requisiten des Spiels regelrecht verschwunden und muss mit einem verknoteten Tuch improvisiert werden. Was beim ersten Hinschauen als Panne im Spiel erscheint, ist mit großartigem Spielwitz aufs Feinste inszeniert.

Aber selbst dieser armselige Glaube reicht aus, dass Jedermann, sehr zum Missfallen des Teufels, doch in den Himmel eingehen kann, und das ist eben nur in Vornbach möglich: Just in diesem Moment setzen die Kirchenglocken – ganz automatisch – zum abendlichen Gebetläuten ein. Mehr Spielstimmung geht nicht – da passt eben alles, so, als wäre der "Jedermann" genau für diesen Platz geschrieben worden, und am Ende gab es begeisterten Applaus, nicht nur von den Leuten im "VIP-Bereich".

Dr. Hans Würdinger

Quelle: Passauer Neue Presse vom 26. August 2021
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