Sie spielen Lieder aufs Leben

Kultur in der Werkstatt: „De Bavarian Immigrants“ bieten bayerischen Groove inklusive Gänsehaut

13.11.23 –

Von Mirja-Leena Zauner

Neuhaus am Inn/Vornbach. Es war wieder ein Fest, das die Möbelmanufaktur Wagner aus Vornbach gemeinsam mit dem Kulturförderverein Neuhaus mit ihrem beliebten Konzertabend „Kultur in der Werkstatt“ auf die Beine gestellt hat. Mit festlichem Licht und prasselnden Feuerkörben im Hof wurden die Gäste empfangen, bevor sie in die zum Konzertraum umfunktionierten Werkshallen der Schreinerei eintreten durften. Eine seltene Möglichkeit, die zahlreiche Gäste am Samstag wahrgenommen hatten.

„Schön, dass es wieder ist“, hörte man von vielen Seiten, denn vier Jahre pausierte die Traditionsveranstaltung, die es seit 1999 gibt. Und alles wurde ganz im Sinne des im letzten Jahr verstorbenen Schreinermeisters Andreas Wagner durchgeführt, dem die Kulturveranstaltung sehr am Herzen gelegen hatte. „Er wollte immer, dass die Leute mit einem guten Gefühl heimgehen“, sagte Andrea Wagner, die ihre gut 250 Gäste herzlich begrüßte. Kultur dürfe auch mal ganz woanders stattfinden, in besonderen Räumen. Das war das Anliegen ihres Mannes gewesen, der daraufhin anregte, die eigene Werkstatt freizuräumen und Kultur „bei Holz- und Leimgeruch“ passieren zu lassen. Der Abend ist mittlerweile auch im Betriebsablauf des Jahres ein Fixpunkt und zeige, wie die Belegschaft zusammenstehe.

„Heute früh um sieben wurde ausgeräumt, gekehrt, gestapelt, geschimpft. Alle haben zusammengeholfen“, erzählte Andrea Wagner, die nicht nur ihrem Team dankte, sondern auch das Engagement des Frauenbunds und der Familien ihrer Mitarbeiter hervorhob, die ein kostenloses Buffet gezaubert hatten. Die Spendenerlöse daraus werden an eine Vornbacher Familie umgeleitet. Auf die Werkstattbühne hatte Andrea Wagner „De Bavarian Immigrants“ eingeladen, die sie vor Jahren gemeinsam mit ihrem Mann bei der Bildhauerin Mona Zimen in Grillenöd das erste Mal gehört hatte. „Gerade weil ich Gesang so liebe, hat mich die Band sehr berührt, und ich habe sie daraufhin gefragt, ob sie einmal bei uns auftreten möchten“, sagte Andrea Wagner, die selbst im Heinrich-Schütz-Ensemble singt.

„De Bavarian Immigrants“, bestehend aus den Multi-Instrumentalisten Stefan Knoll, Denise Weise und Heribert Haider, machten schnell klar, dass sie von Rockmusik mit Luftgitarre bis Klezmer über Oper zur Wirtshausmusik so ziemlich alles drauf haben. Auch vor Ausflügen in die Genres Klassik, Jazz und Schlager hatte das bayerische Trio keine Angst. „Irgendwie sind wir doch alle Immigranten“, lautete die Parole des Abends. Ist das noch Schuhplattler oder schon Body Percussion? Ist ja eigentlich auch egal. Wer jedenfalls glatt-geschälte neue Volksmusik erwartet hatte, durfte rasch umdenken. Denn schon der wilde Stilmix der Kleidung von Frontmann Heribert Haider mit Glitzer-Paillettenhut, Frack und Lederhose, das Waschbrett umgespannt, ließ einen selbstironischen Zugang zum bayerischen Liedgut erahnen.

Doch man sollte sich vom leicht klamaukigen Äußeren und der manchmal grellen Mimik nicht täuschen lassen, denn was Haider genauso wie seine Bandkollegen musikalisch darboten, war hohes Niveau. „Wir wechseln bunt durch, jeder darf alles“, so das Konzept, das zwar locker leicht daherkam, aber von bemerkenswerter Disziplin zeugte. Schnell wird klar, worum es dem Trio geht: Sie transportieren ihre tiefe Liebe zur Musik und zum Leben, mal krachert laut, mal flüsternd leise, immer voller Gefühl und mit exaktem Timing. Mühelos wechselten Haider, Knoll und Weise nicht nur ihre Instrumente, sondern auch Klangfarben, Rhythmik und musikalische Ideen.

Die einzige Konstante: Gesungen wurde bayerisch – und das überwiegend heiter. Denn die Freude am Gesang der durchweg selbstgeschriebenen Lieder spürte das Publikum durch jede Note. „Mia singen so gern mitananda“, bekundete Stefan Knoll strahlend, der nicht nur an Saxofon, Akkordeon, Gitarre und mit seiner Stimme, sondern als Theatermensch auch durch sein schauspielerisches Können punktete. Bei einer Stimmungs-Bandbreite von melancholisch bis übergeschnappt überzeugten die drei Vollblutmusiker mit ihrem mehrstimmigen und zugleich homogenen Gesang.

Komödiantisch super-überzogen und zugleich höchst originell schmachtete Heribert Haider in der eigenen Kreation „Greane Augn“ seine Bandkollegin Denise Weise an, die ihn nicht minder eindrucksvoll abservierte. Weise, die souverän zwischen Geige, Trompete, Flügelhorn und Gitarre wechselte verlieh dem Trio seine hell-klare Note.

„De Bavarian Immigrants“ groovten durch den Abend und gaben den Zuhörern auch ihre politischen Botschaften von Klimaschutz bis Grundeinkommen mit auf den Weg. Besonders stark zeigte sich das Trio in den Nummern, die das Hier und Jetzt feierten, ob bei der Ode ans Dasein „Stürz di ins Leben“ oder beim Liebeslied an die Natur „Heid soid ma nausgeh“. Mit „Schnauf nauf“ durfte sich dann auch das Publikum noch mit auf den Berggipfel singen. Als Zugabe gab es „D’Sun“, inklusive Gänsehaut. „Genieß so an Dog und präg den gut ei“, trugen die Künstler vor. „Du woaßt ja nia, s’kunt dei letzter sei.“

Passauer Neue Presse