Ein Konzert, das Denkanstöße gibt

"The Wond’rous Machine" mit Musik und Texten zum Glauben und Zweifeln

21.11.18 –

Neuhaus am Inn. Es war ein sehr mutiges Programm, das auch an die Zuhörenden in der Pfarrkirche St. Severin in Neuhaus hohe Ansprüche stellte, das Musik und Philosophie in einer dramatischen Dichte verband und zugleich viele Fragen offen ließ: Das Ensemble "The Wond’rous Machine", sechs Musizierende an Musikinstituten in der Region Passau, blickte auf die Figur des griechischen Philosophen Sokrates, die von Georg Philipp Telemann in eine barocke Oper gefasst war, um auch musikalisch einen weiten Bogen zu schlagen zwischen Glaube und Zweifel, Urerfahrungen menschlicher Sinnsuche.

Faszinierend an dem Konzert unter dem Titel "Was ich glaube, weiß ich nicht", zu dem der Kulturförderverein Neuhaus eingeladen hatte, war die Auswahl der musikalischen Werke, mit denen die Mitglieder von "The Wond’rous Machine" einen dichten Spannungsbogen zwischen den drei großen Religionen Judentum, Islam und Christentum herstellten, vor allem auch durch das innige "Kol Nidre", den Gesang zum jüdischen Yom Kippur-Fest, dem Versöhnungsfest. Aus der Tiefe der Seele klang dieses Kol Nidre, von Katrin vom Berg auf der Gambe gespielt, aber auch im hymnisch bewegenden Gesang von Joachim Roth. Tief bewegende Flötensoli von Heidrun Pontz ("Gedämpfte Schwingung" von Winfried Michel) und Inge Reinelt (Hymne von Ryohei Hirose) ließen die großen Fragen der Menschheit im Suchen und Zweifeln in den Zuhörenden weiterklingen. Denn da war – von Joachim Roth ausdrucksstark interpretiert – der Monolog "Ich suche" aus Samuel Becketts "Warten auf Godot" und die provokative Feststellung "Gott ist tot" von Friedrich Nietzsche. Die alles offen lassende Antwort gab Véronique Coiffet mit Georg Philipp Telemanns Arie "Was ich glaube, weiß ich nicht" – "weil das Wanken der Gedanken bald von Zuversicht und Argwohn spricht".

Dass die Suche nach der göttlichen Wahrheit Grenzen von Musik und Religion übersteigt, wurde im mystischen, im 12. Jahrhundert entstandenen Sufi-Gedicht "Die perfekte Harmonie" eindrucksvoll betont und vor allem im zentralen Text des sehr denk-anstößigen Konzertprogramms, der "Ringparabel" aus dem Drama "Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing. Diesen Gedankengängen konnte sich niemand entziehen, denn sie wurden schnell in barocke Lebenslust und religiöse Sinnenfreude verwandelt: Véronique Coiffet gab mit Georg Philipp Telemanns "Jauchzt, ihr Christen, seid vergnügt" keine philosophische Antwort auf die Fragen und Zweifel. Die einzige Antwort war die lebensfrohe Musik für Gambe, Flöten und Cembalo, an dem Lina vom Berg brillante Akzente setzte. Mit beeindruckender Tenorstimme führte Joachim Roth das Publikum mit Telemanns Musik zur seelischen Freiheit: "Frohlocket, ihr seligen Kinder der Freien!" Musik, Glaube, Religion in der Spannung zwischen Zweifel und Fragen – ein Konzert, das Denkanstöße gibt, aber keine fertigen Antworten präsentiert, das zu Offenheit, Toleranz, Menschlichkeit anregen will – es ist dem Ensemble vortrefflich gelungen. −

Quelle: Passauer Neue Presse vom 21.11.2018
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