Zwischen Himmelslust und Erdenschwere

„Heiliges Theater“ aus der Barockzeit in der Pfarrkirche Vornbach – Einblick in die wenig bekannte Musikgeschichte im niederbayerischen Raum

31.05.23 –

Vornbach. Was wäre für ein barockes „Heiliges Theater“ besser geeignet als ein Kirchenraum wie die ehemalige Klosterkirche Vornbach? Monika Drasch und ihre Musikerkollegen erfüllten diesen Raum auf Einladung des Kulturfördervereins Neuhaus auf eindrucksvolle Weise mit Orgelmusik, geistlichen Gesängen und mit barocker Sprachkunst.

Barock, das ist Heiligenhimmel und von Heilssehnsucht geprägte Lebensangst, von Frömmigkeit geprägte Lebenslust und demütiges Wissen um die Vergänglichkeit, das ist blühende Sprache und innig-bewegende Musik. All das wurde für die Zuhörenden eindrucksvoll erlebbar: Da war der großartige Organist Stephan Ronkov, der sich hörbar regelrecht in die barocke Egedacher-Orgel in Vornbach verliebte. Er bildete den sehr breit angelegten Rahmen für ein leuchtend buntes Programm mit der „Sonata Quarta“ des Augsburger Hofkapellmeisters Franz Anton Maichelbeck und der Toccata tertia von Georg Muffat, setzte Akzente auf der barocken Vornbacher Kirchenorgel mit Muffats Passacaglia und mit dem Praeludium Octavum von P. Carlmann Kolb, der in 1703 in Kößlarn geboren wurde, Mönch im Benediktinerkloster Asbach war und später als freier Musiker in München wirkte.

Das „Theatrum Sacrum“ von Monika Drasch wurde zu einem Einblick in die wenig bekannte Musikgeschichte im niederbayerischen Raum, auch durch Lieder aus den Stubenberger Liederhandschriften, der Sammlung des Lumpensammlers Phillip Lenglachner, der viele überlieferte Lieder am Anfang des 19. Jahrhunderts in zwei handgeschriebenen Büchern aufgezeichnet hat. Monika Drasch sang von barocker Marienverehrung, von kindlich-inniger Frömmigkeit und nahm ihr Publikum mit in diese katholische Gläubigkeit hinein – auch mit dem Gemeindelied „Meerstern, ich dich grüße“. Mit der zauberhaft ausdrucksstarken Stimme des Baritons Sebastian Myrus hatte Monika Drasch einen genialen Partner gefunden, der die frommen barocken Lieder im Duett kraftvoll akzentuierte, auch das „Altöttinger Wallfahrtslied“, dem – ein besonderer Glanzpunkt des Programms – die gesungene Bayerische Verfassung vorangestellt war, wunderbar hintergründiger Ausdruck der Lebensart zwischen Frömmigkeit und bayerischer Liberalitas, abgeschlossen mit dem Jodler als dem „bayerischen Halleluja“.

Natürlich gehört zu einem „Heiligen Theater“ auch die Sprachgewalt, und da setzte der Rundfunksprecher Peter Weiß Akzente. Er las die Betrachtung „Von der Erschaffung der Welt“ des Geschichtsschreibers Johannes Aventinus und holte aus zu leuchtenden barocken Bildern der Prediger Jeremias Drexel und Andreas Strobl. Da wurde auch die Vergänglichkeit des Lebens deutlich angesprochen, da wurde die Sehnsucht nach Heil deutlich, die sich in den Liedern so berührend ausdrückte – die barocke Welt war nicht immer heil und lebenslustig. Dennoch gab es auch diese Lebenslust zu hören, wenn Monika Drasch auf ihrer legendär gewordenen grünen Geige, auf Blockflöte und Dudelsack zusammen mit Stephan Romkow auf der Truhenorgel fromm-heitere „Tanzmusik“ spielte, Klänge, die dem Programm eine ganz besondere Leuchtkraft gaben – und dann gab es noch von Peter Weiß als Zugabe die fröhliche Pfingsterzählung vom Heiligen Geist, der „von der Katz gefressen wurde“ aus der Feder von Oskar Maria Graf.

Alles war eingebettet in eine immer noch in Bayern erlebbare Marienverehrung, und so wurde das Konzert fast eine ganz besondere Maiandacht, eröffnet mit dem kraftvollen, den Kirchenraum füllenden „Salve Regina“ von Sebastian Myrus, beschlossen mit dem byzantinischen „Hymnus akathistos“ an die Gottesmutter Maria – ein „Heiliges Theater“, ein musikalisches Klangerlebnis aus einer anderen Zeit, zwischen lebensfroher Himmelslust und bedrückender Erdenschwere.

− wü

Passauer Neue Presse, 31. Mai 2023 https://www.pnp.de/print/lokales/stadt-und-landkreis-passau/passau-land/zwischen-himmelslust-und-erdenschwere-11303351